Unter dem Begriff "Deindividuation" versteht man eine Lockerung der normalerweise vorherrschenden
Verhaltenseinschränkungen, die auftritt, wenn man sich in einer größeren Gruppe befindet.
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Ein Beispiel hierfür ist ein Jugendlicher, der sich alleine durchaus an vorherrschende Regeln und Normen hält, sich in seiner Clique aber an Diebstählen oder Schlägereien beteiligt.
Auch Hooligans bei Fußballspielen oder Soldaten im Auslandseinsatz zeigen oft, dass Anonymität und das "Untertauchen" in einer Gruppe zu einer höheren Gewaltbereitschaft führen können.
Hierzu gibt es zahlreiche sozialpsychologische Studien, von denen die bedeutendsten hier umrissen werden.
Stanley Milgram zeigte in seinem klassischen, aber dennoch häufig kritiserten, Experiment bereits 1962, dass Menschen in bestimmten Situationen zu ungeahnter Gewalt in der Lage sind. Das Milgram-Experiment untersucht, wie starke Stromstöße eine Versuchspersonen an eine vermeintliche andere Versuchsperson abgibt, wenn diese in einer einfachen Gedächtnisaufgabe versagt. 65% der Teilnehmer gaben durch Ermunterung einer Autorität einen tödlichen 450-Volt Stromstoß ab.
Eine mögliche Erklärung hierfür ist ein im Individuum verankertes Streben nach Gehorsam und konformen Verhalten. Dies wird durch die Sozialisation, also das Aufwachsen in Familie und Gesellschaft, geprägt. Ein möglicher Faktor ist aber auch die Anonymität der Versuchspersonen. Der Versuchsaufbau sah eine Trennung durch eine Glasscheibe zwischen "Lehrer" und "Schüler" vor, die eine Kontaktaufnahme und somit eine Individualisierung unmöglich machte.
Eine mögliche Erklärung hierfür ist ein im Individuum verankertes Streben nach Gehorsam und konformen Verhalten. Dies wird durch die Sozialisation, also das Aufwachsen in Familie und Gesellschaft, geprägt. Ein möglicher Faktor ist aber auch die Anonymität der Versuchspersonen. Der Versuchsaufbau sah eine Trennung durch eine Glasscheibe zwischen "Lehrer" und "Schüler" vor, die eine Kontaktaufnahme und somit eine Individualisierung unmöglich machte.
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Robert Watson untersuchte 1973 zahlreiche Kriegerkulturen, um herauszufinden, ob eine Anonymisierung des Individuums einen Einfluss auf das Verhalten im Krieg hat. Seine Ergebnisse zeigen eindeutig, dass Krieger mit Gesichts- und Körperbemalung wesentlich häufiger als nicht anonymisierte Völker dazu neigen, ihre Gefangenen brutal zu foltern und zu töten.
Kurze Zeit später (1987) bestätigte Waldemar Lilli mit einem Experiment, dass das Tragen von Uniformen - also ebenfalls eine Art der Anonymisierung - die Aggressivität steigert. Hierzu bildete er Teams aus 5. Klässlern, die gegeneinander Handball spielten. Jeweils eine Mannschaft spielte in einheitlichen Sporttrikots, die andere lief in normaler Kleidung auf. Die Tatsache, dass die einheitlich gekleideten Kinder deutlich aggressiver spielten, erklärt Lilli dadurch, dass sie schlechter voneinander zu unterscheiden sind und sich somit sicherer fühlen.
Das beste und bekannteste Beispiel für die Folgen von Anonymität und Deindividuierung ist das Stanford-Prison-Experiment von Philip Zimbardo (1971). Für lediglich 15$ pro Tag ließen sich zahlreiche Männer während ihres gewohnten Alltags verhaften und in ein Gefängnis sperren, ohne eine Straftat begangen zu haben. Zuvor hatten 70 Personen auf eine Zeitungsannonce geantwortet und waren per Zufall in Wärter und Häftlinge unterteilt worden. Für die nächsten 20 Tage sollten die Männer ihre Rolle übernehmen und ein Gefängnis "simulieren". Doch bereits nach sechs Tagen musste das Experiment wegen Eskalationen abgebrochen werden. Die Wächter agierten zunehmend aggressiver und bestraften die Häftlinge mit sadistischer Härte. Die große Rolle der Anonymität wird erneut deutlich, wenn man in Betracht zieht, dass die Übergriffe nachts - bei vermeintlich ausgeschalteter Überwachungskamera und Dunkelheit - noch häufiger und brutaler stattfanden.
Die neuste Entwicklung in der Sozialpsychologie liegt im sogenannten SIDE ("social identity model of deindividuation"), das Reicher, Spears und Postmes 1995 entworfen haben. Grob gesagt geht das Modell davon aus, dass sich ein Mensch je nach Situation unterschiedlich verhält und eine entsprechende Rolle einnimmt. Weiterhin finden, wie überall im sozialen Leben, permanent Vergleichsprozesse statt. Diese sind aber nichthauptsächlich unter den Gruppenmitgliedern zu finden, sondern laufen zwischen unterschiedlichen Gruppen ab. Man spricht hierbei von In-Group (die eigene Gruppe) und Out-Group (die zum Vergleich hinzu gezogene Gruppe). Es kommt zu einer deutlicheren Abgrenzung der In-Gruppe und zu einem Wir-Gefühl, das die Gruppe stärkt. Menschen identifizieren sich stark über die Zugehörigkeit zu gewissen Gruppen und machen damit ihr Selbstwertgefühl abhängig von dem "Wert" der Gruppe. Dieses Gefüge hat zur Folge, dass von der Gruppennorm abweichendes Verhalten unterdrückt wird und individuelle Normen vernachlässigt werden. Eine Folge hieraus kann nun eine Person in einer Hooligan-Gruppe sein, die eigentlich nicht aggressiv oder gewalttätig ist, aber durch die Gruppennorm zum Mitmachen "gezwungen" wird.
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Die neuste Entwicklung in der Sozialpsychologie liegt im sogenannten SIDE ("social identity model of deindividuation"), das Reicher, Spears und Postmes 1995 entworfen haben. Grob gesagt geht das Modell davon aus, dass sich ein Mensch je nach Situation unterschiedlich verhält und eine entsprechende Rolle einnimmt. Weiterhin finden, wie überall im sozialen Leben, permanent Vergleichsprozesse statt. Diese sind aber nichthauptsächlich unter den Gruppenmitgliedern zu finden, sondern laufen zwischen unterschiedlichen Gruppen ab. Man spricht hierbei von In-Group (die eigene Gruppe) und Out-Group (die zum Vergleich hinzu gezogene Gruppe). Es kommt zu einer deutlicheren Abgrenzung der In-Gruppe und zu einem Wir-Gefühl, das die Gruppe stärkt. Menschen identifizieren sich stark über die Zugehörigkeit zu gewissen Gruppen und machen damit ihr Selbstwertgefühl abhängig von dem "Wert" der Gruppe. Dieses Gefüge hat zur Folge, dass von der Gruppennorm abweichendes Verhalten unterdrückt wird und individuelle Normen vernachlässigt werden. Eine Folge hieraus kann nun eine Person in einer Hooligan-Gruppe sein, die eigentlich nicht aggressiv oder gewalttätig ist, aber durch die Gruppennorm zum Mitmachen "gezwungen" wird.
Dieser Ansatz ist gleichzeitig aber auch der einzige, der aufzeigt, dass die Gruppennorm ebenso zu wenigger Aggression führen kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Gruppennorm sehr friedlich ist und sogar die latent gewaltbereiteren Mitglieder zur Ruhe zwingt.
Abschließend möchte ich die Frage aufwerfen, ob man unter diesen Umständen anonyme Soldaten, Polizisten oder Security-Personen rechtfertigen kann. Denn selbst durch den Lichtblick der SIDE-Theorie können die negativen Konsequenzen der Anonymisierung nicht übersehen werden. Über Kommentare hierzu würde ich mich freuen!
Quellen:
- E. Aronson, T. Wilson, R. Akert: Sozialpsychologie. 4. Auflage. Pearson, München 2004
- Milgram; Harper; Row. Obedience to Authority. An Experimental View. New York, 1974
- http://www.prisonexp.org/deutsch
- http://de.wikipedia.org/wiki/Deindividuation
- http://en.wikipedia.org/wiki/Deindividuation
- Milgram; Harper; Row. Obedience to Authority. An Experimental View. New York, 1974
- http://www.prisonexp.org/deutsch
- http://de.wikipedia.org/wiki/Deindividuation
- http://en.wikipedia.org/wiki/Deindividuation
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